Konzept und Projektleitung: Gabriele Kaiser-Schanz Technik und Programmierung der Hochschule Bochum: Professor Dr. Peter Brychta, Marcel Abel, Mustafa Kaplan Soundinstallation: Pianistin und Professorin Isabel Gabbe Stimmen der Sänger: Anna Kristina Naechster, Patrick Cellnik Ton: Horst Hillebrand Kostüme: Margit Koch Fotos: Torsten Leukert
Gefördert durch die Hochschule Bochum, Hörgeräte Wesseling Kulturbüro Essen
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Mikrokosmos versus Makrokosmos, 2015 In dem interdisziplinären Ausstellungsprojekt „Mikrokosmos versus „Makrokosmos“ wird eine visuelle und akustische Versinnbildlichung, von systemimmanenten Strukturen familiärer Gefüge in Beziehung zu Erde und Universum dargestellt. Die fünf mit Stoff überzogenen Puppen und bestickten Gesichtern drehen sich nach einer einprogrammierten Choreografie. Die Figuren bilden ein Familiensystem, das sich in den Rhythmus des Universums einfügt. Die Personen des Mikrokosmos bewegen sich nach den „Regeln“ ihres Familiensystems Planetenanimation, harmonische und disharmonische Tonklänge veranschaulichen die Dynamik innerhalb des Familiensystems und setzen es unmittelbar in Beziehung zum Makrokosmos.
Hintergrund des Projektes Ein Projekt mit grenzüberschreitender Bedeutung, da Familie und Universum und die Suche nach Sinn und Ort in Zeit und Raum ein universelles Thema sind. Das interdisziplinäre Projekt Mikrokosmos versus Makrokosmos soll eine visuelle und akustische Versinnbildlichung, von systemimmanenten Strukturen familiärer Gefüge in Beziehung zu Erde und Universum darstellen. Im menschlich ersten Mikrokosmos, der Familie kann nur Freiraum sein und entstehen, wenn Bewegung zugelassen wird. Das Leben ist Veränderung, Verwandlung, Bewegung. Auf eine Aktion folgt eine Re-Aktion: Der Sohn verlässt die Familie, die Gruppe reagiert. Die Tochter verlässt die Gruppe und bewegt sich auf ihren Bruder zu. Treten an einer Stelle des Systems Veränderungen auf, bleiben andere Systemstellen nicht statisch. Eine kleine Veränderung hat Wirkungen auf das ganze System. Ebenso verhält es sich im uns umgebenden universellen Planetensystem. Die Installation eingebunden in Projektion und Klang hat zum Ziel die systemimmanente Bewegung des Werdens und Vergehens, der Annäherung und Distanz im Mikro- und Makrokosmos darzustellen. Hierzu wird die Bewegung des Mikrokosmos Familie gleichzeitig in die des Makrokosmos Universum eingebunden. Realisierung Die fünf lebensgroßen Puppen, die eine Familie mit drei Kindern darstellen – Mutter, Vater, einen erwachsenen Sohn, eine heranwachsende Tochter und eine kleine Tochter sind mit Leinenstoff bekleidet und die Geschlechtsunterschiede Mann und Frau werden ähnlich wie Piktogramme dargestellt. Um jeder Gestalt individuellen Ausdruck zu verleihen, sind die Gesichter der Puppen bestickt. Jede Figur erhält einen motorischen Antrieb, der ihre Bewegung erzeugt. Die Motoren sind an einer Unterbühne aus Holz befestigt. Durch die Motoren lassen sich die Puppen in einem vorprogrammierten Rhythmus bewegen. Zu Beginn sind die Figuren ähnlich einem klassischen Familienfoto bewegungslos zu einer harmonischen Gruppe komponiert. In der Folge entsteht die um sich selbst drehende Bewegung der Mutter. Als archetypische Muttergestalt wird sie hier zum Mittelpunkt des familiären Mikrokosmos. Eingebunden in die Planetenprojektion versinnbildlicht ihre Figur als archetypische Lebensgeberin die Sonne. Die sich fortsetzenden Bewegungen der Figuren lassen zunächst den Sohn und dann die heranwachsende Tochter die Familiengruppe „verlassen“. Aktion bedingt Re-Aktion: Entfernen, „Verlassen“ bedingt Wiederannäherung, „Begegnung“. Bruder und Schwester begegnen sich und entfernen sich wieder. Mit den einzelnen Familienmitgliedern ergeben sich verschiedenste Positionen, bis sie am Ende wieder zu einer harmonischen Gruppe zusammenfinden und die Bewegungen beginnen wieder von vorne. Es gibt keinen wirklichen Stillstand. Auch im Familien-system nicht. Familiäre Harmonie und Disharmonie, Auseinandersetzung und Versöhnung, Schweigen und Sprechen sind Beispiele für systemische Bewegung und Veränderung.
Klanginstallation Die Klanginstallation bindet die bewegte Installation in eine Beziehung zwischen Erde und Kosmos ein. Die Klanginstallation lehnt sich an die Theorien von Johannes Kepler aus dem 17. Jahrhundert und des großen Gelehrten und Schriftstellers Lama Anagarika Govinda aus dem 20. Jahrhundert an. Johannes Kepler vertrat die Ansicht, dass es nach seinen Berechnungen entsprechend Musik durch die Drehung der Planeten um die Sonnen entsteht. Diese Umdrehungen entsprechen einer Obertonreihe. Govinda geht davon aus, dass die großen Mantras OM, AH, HRIH und HUM den Vokalen o, a, i, u, e entsprechen. Diese Vokale bilden unsere Sprache und besitzen kosmischen Bezug. Das a entspricht dem Jupiter, das i dem Mars, das o der Venus, das u dem Saturn und das e dem Merkur. Die Schwingungsverhältnisse der Vokale und der Planeten stehen in einem direkten Bezug, wie es Kepler in seinem Werk Harmonices mundi libri V beschreibt.Die Soundinstallation unternimmt den Versuch eine Beziehung zwischen gesanglichen, den Ur-Mantras entnommen Tönen, die Vokale a, i, o u, e, mit der Musik, welche die Planeten durch ihre Umkreisung um die Sonne erzeugen, miteinander zu verbinden. Dabei werden die intonierten Töne als von der Familiengruppe kommend wahrgenommen. Ebenfalls sollen Disharmonien, wie Auseinandersetzungen und Streit, die auch Bestandteil des Familiensystems sind klanglich umgesetzt worden.
Lichtinstallation Das Lichtdesign soll die Beziehung zwischen dem Mensch und dem Universum, eingebettet in das Planetensystem, visuell verstärken. Projektionen von Planeten in Bewegung und einzelnen Planeten, die in Bezug zur jeweiligen Person, Vater, Mutter, Sohn oder Tochter stehen. in der Zusätzlich werden die einzelnen Figuren, die auch Schattenwirkungen erzeugen sollen, in Bewegung, einzelne Planeten werden projiziert. Zusätzlich werden die einzelnen Figuren beleuchtet, so dass ein Spiel mit den Schatten der Figuren entsteht. Inspiration für die Klanginstallation Die Inspiration für die Klanginstallation ist aus dem Buch Nada Brahma. „Die Welt ist Klang“ von Joachim E. Berendt entnommen. Johannes Kepler, 17. Jahrhundert, Mathematiker, Astronom, und Theologe hat in seinem umfangreichen Werk Harmonices mundi libri V („Fünf Bücher zur Harmonik der Welt“) die Meinung vertreten, dass Musik durch die Drehung der Planeten um die Sonne entsteht. Er ging von elliptischen Bahnen aus. Des Weiteren geht Kepler davon aus, dass die entstehende Planetenmusik der Obertonreihe entsprechen. Zitat: „Die sechs Planeten Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter und Saturn formen in ihren elliptischen Bahnen ‚einen sechsstimmigen Modetrendsatz‘. Die äußeren Planeten Uranus, Neptun und Pluto wurden nach Keplers Tod entdeckt und bilden nach einer Formulierung von Willie Ruff, einem berühmten amerikanischen Jazzmusiker, die Rhythmusgruppe. John Rodgers und Willie Ruff, Professoren an der Yale Universität (USA) gaben die Umlaufbahnen Klänge der Planeten in einen Synthesizer ein und konnten dadurch die theoretischen Annahmen von Johannes Kepler beweisen. Die sechs sichtbaren Planeten entsprechen den acht Oktaven, die dem Normalumfang des menschlichen Hörvermögens entsprechen. Die drei weiteren Planeten Uranus, Neptun und Pluto entsprechen nach musikalischen Berechnungen ebenfalls dem Keplerschen Gesetz. Ihre langsamen Umdrehungen sind jedoch für das menschliche Ohr nicht als Töne, sondern als Rhythmus wahrnehmbar. Die sechs inneren Planeten bilden die Obertonreihe und die drei äußeren Planeten ergeben die Rhythmusgruppe.
Text: Gabriele Kaiser-Schanz
Literaturhinweis: Berendt, Joachim Ernst: Nada Brahma. Die Welt ist Klang. Suhrkamp, 2012.